Dieses Buch handelt, wie der Titel schon erahnen lässt, von gärtnernden Männern und ist vermutlich als kleine Abwechslung zu den unzähligen Werken über "Frauen und ihre Gärten" gedacht, die seit einigen Jahren den Markt überschwemmen. Hoffentlich erwarten Sie jetzt von mir keine Aufzählungen diverser gärtnerischer Geschlechter-Klischees, zusammen mit dem Hinweis, dass diese in dem Buch allesamt widerlegt werden. In meinem persönlichen Gärtner-Bekanntenkreis sind männliche Rosensammler oder Staudenfreunde jedenfalls keine Ausnahmeerscheinungen und ich kann dort auch keine typisch männliche oder weibliche Art zu Gärtnern festmachen. Das Buch gibt dazu auch nur wenig Auskunft und widmet sich vorrangig den wirklich interessanten Aspekten der Pflege und Gestaltung privater Gärten. Dass die darin porträtierten Gärtner allesamt Männer sind, tut da eigentlich wenig zur Sache. Die Entstehungsgeschichte des Buches ist dennoch interessant. Im ersten Kapitel kann man nachlesen, dass der Autor dieser Anfrage des Verlags zunächst gar nicht nachkommen wollte. Befeuert durch einen etwas eindimensionalen Beitrag über Gärtnern als Frauenthema in einem feministischen Magazin sowie in Erinnerung an ein Buch, dessen Verfasserin offensichtlich auch nichts für gärtnernde Männer übrig hatte, blieb ihm schließlich doch nichts anderes übrig, als dieses Buch zu schreiben.
Mich hat "Sein Garten" jedoch nicht aufgrund des Titels interessiert, sonden weil es von einem Autor stammt, der mit seinen bisher erschienenen Büchern jedesmal ziemlich genau meinen grünen Nerv getroffen hat. Die Gartenporträts von Stefan Leppert sind kein blumiges Geschwafel, sondern außergewöhnlich unterhaltsame und informative Geschichten, die das Phänomen Gärtner meist aus mainstreamfernen Perspektiven beleuchten.
Auch dieses Werk ist wieder so eine Ausnahmeerscheinung, die ernsthaft garteninteressierte Leser nicht so schnell aus der Hand legen werden. Es zeigt einen Querschnitt durch verschiedenste Ausprägungen von Gartenkultur, eigenwillige Gärten und noch eigenwilligere Gartenbesitzer. Porträts von engagierten Autodidakten und von Berufsgärtnern mit ungewöhnlichen Biografien wechseln ab mit Geschichten über Menschen, die die Gärten anderer betreuen, als wären es ihre eigenen. Unter den Gartenbesitzern finden sich Arbeiter und Genießer, Blumenfreunde und Gehölzexperten, Selbermacher und Auftraggeber. Ein Herrentrio bewirtschaftet gemeinsam eine Selbsternte-Parzelle und ein Radioredakteur wird, inspiriert von einem Sturm, der seine Gartenbäume gefällt hat, zum Holzbildhauer. Dazu kommen Einblicke in die erhalten gebliebenen Gärten von Goethe in Weimar oder den bizarren Kiesgarten des 1994 verstorbenen, britischen Regisseurs Derek Jarman. Spannend sind auch die Interviews, in denen dem Staudengärtner Dieter Gaissmayer und dem Hamburger Landschaftsarchitekten Uwe Isterling interessante Details über die grüne Branche entlockt wurden. Gemeinsam ist allen Protagonisten dieses Buches, dass der Garten für sie mehr ist, als eine dekorative Erholungslandschaft. Sie beackern darin auch Themen wie Kunst und Design, Heimat und Familie, Nutzpflanzen und Bienen, Arbeitswut und Sammelleidenschaft, Perfektionismus und ihren ganz persönlichen Traum vom Paradies.
Besonders lehrreich sind die Geschichten über jene Gärtner, die sich ganz einem Spezialgebiet verschrieben haben. So wie Harmen Zempel, der nicht nur für die eigene, sondern auch für befreundete Familien Gemüse anbaut oder Friedrich Werner, dem es mit einigen Tricks gelang, zu DDR-Zeiten eine für damalige Verhältnisse sehr beeindruckende Rosensammlung in einer Kleingarten-Parzelle aufzubauen. Zu Zeiten, in denen Schrebergärten vorrangig der Bereicherung des Speisezettels dienen sollten und vermutlich auch wegen seines als für Männer ungewöhnlich bewerteten Hobbys wurde er deshalb auch Rosenheini genannt. Womit wir wieder beim Thema Geschlechter-Klischees wären, die man natürlich schon in diesem Buch finden kann, wenn man gezielt danach sucht.
Die Bilder stammen überwiegend vom Autor selbst und zeigen, passend zu den Texten, ebenfalls häufig ungewöhnliche Perspektiven, viele wirken spontan und manche sind ein wenig unscharf aber alle zeichnen sich durch eine hohe Aussagekraft aus. Mir gefällt besonders, dass darauf oft die Gartenbesitzer oder andere Menschen zu sehen sind, vielfach werden Arbeitssituationen und Gartengeräte gezeigt. Bei einem Großteil der Gärten hat man nicht den Eindruck, dass sie extra für die Fotos aufgehübscht wurden. Hin und wieder sieht man abgefallenes Laub herumstehendes Werkzeug oder angewelkte Rosenblüten, was den Anlagen eine natürliche und sympathische Ausstrahlung verleiht.
Ein sehr gelungenes Buch über Männer und ihre Gärten. In abwechslungsreichen Porträts wird viel Hintergrundwissen zur Gestaltung und Pflege von Gärten vermittelt. Dazu findet man einige ausgefallene Ideen, was man sonst noch alles in der privaten Grünoase anstellen kann. Vielleicht lässt sich damit sogar weniger gartenbegeisterten Männern* dieses Hobby schmackhaft machen.
*bei meinem hat es allerdings auch diesmal wieder nicht geklappt ;-)
Sein Garten
Wenn Männer Gärtner werden
Stefan Leppert
DVA 2012
Gebundene Ausgabe
152 Seiten
EUR 29,99
Format 25,6 x 24 cm
ISBN-10: 3421037922
ISBN-13: 978-3421037923
Von Stefan Leppert haben wir bereits Paradies mit Laube vorgestellt, ein wunderbares Buch über Deutschlands Schrebergärten. Ebenfalls sehr lesenswert ist "Hinter meiner Hecke", in dem Landschaftsarchitekten ihre privaten Gärten zeigen.
Mehr über den Autor unter www.stefanleppert.de