Sträucher oder Blumen erfreuen uns mit ihren Blüten und darunter sind auch einige, die wir zu Lieblingspflanzen erkoren haben. Mit den Bäumen, ganz gleich ob im Garten oder in der Natur, verbindet viele Menschen aber eine besondere Beziehung, die oft weit über ein „Gefallen finden“ hinausgeht. Oft begleiten Bäume eine Familie schon seit Generationen als Hausbaum oder sie beeindrucken uns als riesige Naturdenkmäler. Viele Menschen kommunizieren auch auf irgendeine Art mit den Bäumen oder versuchen zumindest, ihre Sprache zu verstehen und dazu kann dieses Buch einen wertvollen Beitrag leisten.
Das Wuchsverhalten eines Baumes sagt schon sehr viel über seine näheren Lebensumstände aus, aber es gibt noch viele andere kleine Hinweise, durch welche die stummen Giganten zu uns sprechen. Der Förster Peter Wohlleben übersetzt für uns die Sprache der Bäume und zeigt uns, was wir alles aus den Rinden oder Ästen herauslesen können. Er erzählt von Machtkämpfen zwischen Eichen und Buchen oder Duftsignalen mit denen sich die Gehölze untereinander verständigen. Wir erfahren von Bäumen, die mit Altersrekorden im Guinnessbuch verzeichnet sind und lesen von den tierischen Mitbewohnern oder pflanzlichen Untermietern der Waldgesellschaft.
Wohlleben schreibt auch vom Mythos des Flachwurzlers und erklärt diesen am Beispiel von Fichtenanpflanzungen in wärmeren Klimazonen und ungeeigneten Böden. Fichten bilden diese flachen Wurzelteller nur auf verdichteten Böden aus und der Leser erfährt, dass unter solchen Umständen auch andere Arten untypischerweise Flachwurzeln entwickeln würden. Durch die Praxis, wegen intensiver Bewirtschaftung geschädigte Böden mit Fichten aufzuforsten, wird dieser Baum bis heute fälschlicherweise als Flachwurzler bezeichnet. Dieses Kapitel fand ich besonders spannend und hier hätte ich gerne noch mehr Informationen erhalten. Leider erfährt man an der Stelle nicht, wie denn das Wurzelsystem einer Fichte auf durchlässigem Untergrund aussehen würde. Ansonsten enthält dieses Buch aber sehr ausführliche Informationen über die Lebensumstände unserer Bäume und dieses Wissen regt an, mit den für uns lebenswichtigen Gehölzen sorgsamer umzugehen. Besonders am Herzen liegt dem Autor und engagierten Naturschützer eine naturgemäße Pflege des Waldes und seiner Bewohner. Mit dem von ihm vermittelten Fachwissen im Hinterkopf dürfte es schwerfallen, in den imposanten Lebewesen bloße Rohstofflieferanten zu sehen.
Zu den zahlreichen Fakten über Bäume im Allgemeinen kommen noch kleine Porträts von häufigen Arten wie Birke, Linde, Fichte, Apfelbaum und einigen anderen. Das Buch ist mit aussagekräftigen Zeichnungen ausgestattet, die besonders für die Darstellung von Besonderheiten an den Rinden sehr hilfreich sind.
Eine spannende Bereicherung für alle, die mehr wissen wollen über die Geheimnisse unserer Bäume und des Lebensraumes Wald und somit Pflichtlektüre für engagierte Forstleute, Gärtner und Baumfreunde.
Bäume verstehen
Was Bäume uns erzählen, wie wir sie naturgemäß pflegen
Peter Wohlleben
pala-Verlag 2011
Gebundene Ausgabe
200 Seiten
EUR 14,00
Format 21,2 x 14 cm
ISBN-10: 3895662992
ISBN-13: 978-3895662997
In gekürzter Form erschien dieser Buchtipp in der Ausgabe 2012 des Gartenkulturführers. Mehr Informationen über den Autor gibt es unter: www.peter-wohlleben.de
Die Sache mit den Flachwurzeln hat mir keine Ruhe gelassen und nach einigem Suchen habe ich tatsächlich eine Beschreibung des Wurzelsystems der Fichte gefunden, die mit der Meinung des Autors konform geht. Viele andere Quellen sprechen dagegen von "echten" Flachwurzeln.