Auf dem Gartenbuchmarkt dominieren ja derzeit Themen wie naturgemäßes Gärtnern, Selbstversorgung aus biologischem Anbau oder Urban Gardening und nicht selten wird der Hobbygärtner in den Publikationen als toleranter Vermittler zwischen Natur und Kultur dargestellt. Eine Art heiliger Franziskus des Freizeitgartenbaus, der auch für unerwartet eingewanderte Tiere und Pflanzen ein Plätzchen in seiner Grünoase findet und selbst den fürchterlichsten Unkräutern noch irgendeinen Nutzen abgewinnen kann.
Dieses Werk thematisiert aber, was der Garten viel eher ist: ein der Natur mühsam abgerungenes Terrain, auf dem man wenig kompromissbereit die eigenen Vorstellungen verwirklicht. Da werden den Pflanzen bestimmte Plätze zugewiesen, unerwünschte Pflanzen werden verbannt und Tiere sind vielleicht manchmal willkommen aber bitte nur als Vertilger unerwünschter Schädlinge. Tatsächlich erkämpft sich die Mehrzahl der Freizeitgärtner ihr erwünschtes Gartenbild ohne Rücksicht auf Verluste, mit einem Arsenal aus Unkrautstecher, Schneckenkorn und künstlicher Bewässerung. Nur öffentlich dazu bekennen will sich in Zeiten von wildwuchsdurchsetzter Naturgartenromantik kaum jemand. Augstein hingegen steht dazu, dass sich der Garten seinen Vorstellungen unterwerfen muss und dabei hilft er notfalls sogar mit der Giftspritze nach. Auch wenn die gärtnernden Leser vielleicht andere Prioritäten in ihren Außenanlagen setzen, so werden die meisten sich doch früher oder später zähneknirschend in den eigennützigen Handlungen des Autors wiedererkennen.
"Dieses Buch handelt von meinem Garten und allem, was darin ist." So steht es in der Einleitung und vor allem beim Lesen der Pflanzentipps sollte man sich gelegentlich an diesen Satz erinnern. Hobbygärtner neigen ja dazu, ihre persönlichen Gartenerfahrungen zu verallgemeinern und der Autor stellt in diesem Fall auch keine Ausnahme dar. Da werden dann gewisse Pflanzen vermaledeit, weil sie im eigenen Garten nicht gedeihen wollen, dabei wären sie an einem anderen Standort wunderbar zu kultivieren. Gartenanfänger, die sich Augsteins Ratschläge zu Herzen nehmen, legen daher einen Ziergarten mit Hortensien, Funkien und Storchschnabel an und halten sich fern von Kirschlorbeer oder Lungenkraut. Schade eigentlich, denn von letzteren beiden sind einige sehr empfehlenswerte Sorten im Handel und der Verfasser ist vermutlich an die weniger guten geraten. Auch der Hinweis, dass sich Rosen auf sandigen Böden wohlfühlen, war mir bis zur Lektüre dieses Buches neu, aber wenn ich bedenke, was meine Pflanzen alles an nicht lehrbuchkonformen Eigenschaften an den Tag legen, dann kann ich mir lebhaft vorstellen, dass sie sich in manchen Gärten tatsächlich so verhalten.
Aus gärtnerischer Sicht finde ich manche Passagen sehr fragwürdig und einiges ist schlichtweg falsch, aber wenn man das Werk von fachlicher Seite nicht so eng sieht, dann kann man sich damit gut unterhalten. Zu allen relevanten Szenarien des Gartenjahres, welches hier übrigens lobenswerterweise im Herbst beginnt, hat der Autor Interessantes zu berichten. Unter anderem werden pflanzliche Wirkstoffe, physikalische Kräfte oder Geschmacks- und Stilfragen besprochen. Letztere gipfeln dann in essenziellen Ratschlägen wie diesem: "Selbst wenn Sie einen Sado-Maso-Zwerg aufstellen, um sich über Leute lustig zu machen, die normale Gartenzwerge gut finden - haben Sie am Ende einen Gartenzwerg aufgestellt." Augstein verkündet uns seine detaillierten und sehr bestimmten Meinungen über Laubbläser und Tannenbäume oder zum für ihn freilich nicht in Frage kommenden Nutzgarten, den er für ein Überbleibsel des Sozialismus hält. Die Texte sind eine unterhaltsame Mischung aus eigenen Erfahrungen und Verweisen auf Statistiken und Fundstücke, dazu kommt Geschichtliches, Wissenswertes und Kurioses rund um den Garten.
Besonders gefreut hat es mich, mal wieder ein ordentlich gebundenes Buch in den Händen zu halten. Die Gestaltung ist wirklich ansprechend, was neben dem gefälligen Schriftbild und den hervorgehobenen Zwischenüberschriften vor allem den angenehm klischeefreien Zeichnungen von Nils Hoff zu verdanken ist.
Inhaltsreiche Unterhaltungslektüre für Gartenfreunde, welcher vermutlich auch interessierte Nichtgärtner etwas abgewinnen können. Zwischen den Zeilen der sehr persönlichen Betrachtungen über Pflanzen, Gott und die Welt kommt immer wieder der entscheidende Faktor zum Vorschein: trotz aller Anstrengungen und Rückschläge macht Gartenarbeit glücklich - manchmal zumindest.
Die Tage des Gärtners
Vom Glück, im Freien zu sein
Jakob Augstein
Hanser 2012
Gebundene Ausgabe
272 Seiten
EUR 17,90
Format 21,4 x 15 cm
ISBN-10: 3446238751
ISBN-13: 978-3446238756
In gekürzter Form erschien dieser Buchtipp in der Ausgabe 2013 des Gartenkulturführers.
Jakob Augstein ist Journalist und Verleger der Wochenzeitung Der Freitag. In diesem Interview beantwortet er Fragen zum Buch und zum Gärtnern allgemein.